Zu Zeiten von Gottfried Keller wurde man häufig innerhalb der Familie an den richtigen Schneider herangeführt. Der Vater und oft auch der Großvater waren schon in Generationen Kunden alteingesessener Schneiderfamilien und so wurde das immer weiter an Kinder oder Enkel weitergegeben.
In der heutigen Zeit ist das zunehmend schwieriger geworden. Das Schneiderhandwerk, im Übrigen ein sehr altes Handwerk, wie man es noch im 19. und Anfang des 20. Jahrhundert kannte ist inzwischen weitgehend ausgestorben und es gibt nur noch wenige die die diese Handwerkskunst im herkömmlichen Sinne ausüben. Im Zeitalter der Globalisierung in denen von Computern und Robotern Kleidung hergestellt wird, werden selbst exklusive Maßanzüge, mit modernen CAD Schnittcomputern gestaltet und produziert. Von Maschinen produzierte Ware hat jedoch einen gravierenden Vorteil. Zum Einen werden Fertigungsabläufe automatisiert, was sich mitunter auch sehr positiv auf Preis und Lieferzeit auswirkt, zum Anderen werden Fehler in der Produktion nahezu ausgeschlossen. Ein weiterer Vorteil ist, ist der Anzug erst einmal angepasst, dann wird jede Nachbestellung die exakt gleiche Passform erhalten wie die Vorhergehende. Denn Schnitte und Produktionsabläufe werden digital gespeichert und sind immer erneut abrufbar.
Was ist dabei zu beachten?
Zunächst sollte bei der Wahl eines Schneiders, oder besser, des Maßanzuglieferanten darauf geachtet werden, dass eine gute Auswahl der Stoffe vorhanden ist. Ein guter Anbieter hat entsprechende Stoffmuster und auch die genaue Zusammensetzung der Stoffe zur Hand.
Handelt es sich um einen Wollstoff oder um Plastik? Bis zu einem gewissen Grad lässt sich das mit einem simplen Brandtest feststellen. Hat der Stoff einen hohen Wollanteil oder einen anderen Naturhaaranteil wie Kaschmir oder Merino, dann wird bei einem Brandtest der Faden nach verbranntem Haar riechen und auch ein wenig brennen, während ein Polyesterstoff generell nur schmilzt und nach verbranntem Plastik riechen wird. Es wird allerdings kaum ein Verkäufer dazu bereit sein seine Stoffmuster anzuzünden. Deshalb ist das ein Test der nur im Zweifelsfalle angewendet werden kann. Aber auch der Preis ist u.U. ein hinreichendes Merkmal dafür, dass man „betrogen“ wird. Hat der Stoff z.B. einen hohen bis 100%igen Kaschmiranteil zu einem unglaublichen günstigen Preis, dann kann von Polyester ausgegangen werden. Wenn man jetzt weiß, dass Kaschmirwolle als Rohwolle, da ist noch kein Faden gesponnen und schon gar keine Stoffbahn gefertigt, per Kilo rd. 600€ kostet, dann versteht man auch, dass ein Anzug mit hohem Kaschmiranteil zu 300€ insofern dann schon unmöglich ist, da ein Anzug fertig ca. 1,6kg wiegt. Selbst reine Schurwolle wird man dafür nicht bekommen. Wolle ist in der Regel ein sehr knitterarmer Stoff, aber nicht komplett knitterfrei. Knittert ein Stoff gar nicht, kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit von Kunstfaser ausgehen.
Ein weiteres Kriterium bei Maßbekleidung sollte die Messung an sich sein.
Musste man beim herkömmlichen Handwerksschneider im Regelfall bisher bis zu drei oder vier Anproben über sich ergehen lassen, so wird das heute in einer einzigen Messung gemacht und wenn nötig später ein wenig nachgearbeitet. Damit der Anzug jedoch bei einer einzelnen Messung ohne weitere Anproben exakt passt, ist es notwendig einige Messpunkte mehr auszuführen, die dem Computerprogramm zur Berechnung der Dimensionen vorliegen müssen. Zum Beispiel muss unbedingt die Schulterneigung exakt gemessen werden. Das ist z.B. etwas das Maßkonfektionäre nicht oder nur unzureichend machen.
Stimmt die Schulterneigung nicht, dann kann der Anzug im Brust und Schulterbereich Falten werfen. Genauso ist es nötig die vordere und hintere Taillenlänge festzustellen. Dieses Maß sagt vieles über die Körperhaltung, Buckel oder Hühnerbrust aus. Alle Kriterien die bei einem Maßanzug passen müssen um einen perfekten Sitz zu garantieren.
Wenn das der Anzugverkäufer nicht für nötig hält, ist es Zeit sich einen anderen zu suchen.
Es ist unnötig zu erwähnen, dass eine eingehende und fachkundige Beratung obligatorisch sein sollte.